Fred Berndt schuf für „Wunderbar – die 2002. Nacht“ ein Bühnenbild, das die Augen trunken macht.
Als die Bilder laufen lernten
Zitat aus ‚BerlinOnline‘ (28.03.2002)
Schon kurz nach der umjubelten Premiere ist die neue Revue des Friedrichstadtpalastes „Wunderbar – die 2002. Nacht“ ein Renner. Eine jahrelange mühevolle Arbeit hat ihre Bestätigung und Anerkennung gefunden. Abend für Abend gibt es begeisterten Beifall für alle Mitwirkenden. Für Susann Malinowski, die die Scheherazade mit beeindruckender Tanzkunst gestaltet. Für Isabel Dörfler als verführerische Dinarsade mit klarer Stimme und sichtlicher Bewegungsfreude eines ausgebildeten Musicalstars. Für Karim Khawatmi als den von Liebe (und Eifersucht) gelenkten Sultan. Für Christian Venzke als dominanter, schließlich ins tödliche Verderben gestürzter Wesir. Rauschender Beifall wie immer für die einzigartige Girlreihe und auch für die Herren des Balletts. Alle geben ihr Bestes, um die Zuschauer in einen Rausch der Sinne zu versetzen. Die Rahmenhandlung bietet dafür auch reichlich Gelegenheit:
Was geschah eigentlich nach 1001 Nacht? Was geschah, als es Scheherazade gelungen war, des Sultans Herz wieder für eine dauerhafte Liebe zu öffnen? Natürlich fragt sich jeder, der die Erzählungen kennt: Hatte Scheherazade noch mehr Geschichten in petto? Für alle Fälle . Schließlich konnte sie ja nicht wissen, wann der Sultan ihrem erzählerischen Zauber erliegt.
Die Geschichten nach den Geschichten werden im Friedrichstadtpalast nicht mehr von Scheherazade erzählt. Vielmehr erleben sie, ihre Schwester Dinarsade, der Sultan und der Wesir neue Geschichten von Liebe, Eifersucht, Verführung und Tod. Auf faszinierende Weise wird die Revue „Wunderbar – die 2002. Nacht“ eine Reise durch Motive der Märchen aus 1001 Nacht. Schließlich wird daraus auch eine Zeitreise, die ihren Ausgang im gold gleißenden, farbenprächtigen Orient nimmt und in den Träumen des Sultans endet. Die führen ihn bis in unsere Zeit.
Nur beim Premierenfinale waren auch die Schöpfer dieser Revue auf der Bühne, unter ihnen auch Fred Berndt, der die prachtvollen Bühnenbilder geschaffen hat. Bühnenbilder, die die Augen trunken machen. – Ein kurzer Rückblick auf die intensive Vorbereitungsarbeit: An einem Sonnabend (!) im Februar, gegen 20 Uhr trifft sich Berndt mit Regisseur Jürgen Nass zu einer Absprache über den Stand der Arbeit. Danach führt ihn sein Weg auf die Bühne. Dort wird noch zu später Stunde an einer Treppe gearbeitet. Die ist Bestandteil für das „Dinglinger-Tableau“, eine Nachbildung der hochkarätigen Preziose im Grünen Gewölbe in Dresden. An diesem prunkvollen Ort findet die Hochzeit des Sultans mit Scheherazade statt. Gleißende Pracht ist an einem solchen Tag selbstverständlich.
Ein Bühnenhandwerker belegt die Treppe mit hauchdünnen Goldblättchen. „Das ist kein unerschwinglich teures Blattgold“, erklärt Fred Berndt, „sondern so genanntes Schlagmetall. Das hält dann auch über mehrere hundert Vorstellungen.“ Viele aufwändige, verwandelbare Bilder hat die Revue „Wunderbar – die 2002. Nacht“.
Der Künstler gibt zu bedenken: „Die Geschichte ist anspruchsvoll und kompliziert. Sie enthält reale, fantastische, historische und moderne Situationen. Zudem gelten in einer Revue unverrückbare Grundsätze.“ Daraus leitet er auch seine eigenen ab: „Ich verstehe mich nicht als künstlerischer Traumtänzer, sondern als Handwerker, der eine neue Welt entwickelt. Anders gesagt: Ich muss dem Stück dienen. Ich gehöre zum Bodenpersonal, das den Sängern und Tänzern das Fliegen erlaubt.“
Seine Erfahrungen hat Fred Berndt an erstklassigen Adressen gesammelt. Bühnenbild studierte er bei Prof. Willi Schmidt an der Hochschule der Künste, er war Bühnenbildassistent an der Freien Volksbühne und an der Schaubühne (damals noch am Halleschen Ufer unter Leitung von Peter Stein). Er arbeitete unter anderem für August Everding und George Tabori. Als Regisseur debütierte Berndt 1975 in Mannheim mit Brechts „Kleinbürgerhochzeit“. Seit 1991 ist er in seiner Doppelrolle als Bühnenbildner und Regisseur vor allem an Opernhäusern ein viel beschäftigter Mann. Mehr als 120 Bühnenbilder gehen inzwischen auf das Konto von Fred Berndt.
Trotz aller Erfolge räumt er unumwunden ein: „Es ist völlig normal, dass man mal ein falsches Bühnenbild macht. Aber ein Grundsatz gilt für mich unverrückbar: Ein Bühnenbild darf nie geschmacklos sein. Vielmehr sollte es geschmackbildend wirken. In der bildenden Kunst – dazu gehört nun einmal auch das Bühnenbild – lässt sich nach meiner Auffassung eben nicht über Geschmack streiten.“ Und bezogen auf die Revue „Wunderbar – die 2002. Nacht“ weiß sich Fred Berndt eins mit Hugo von Hofmannsthal, der über die Märchen aus 1001 Nacht schrieb: „Wir hatten dieses Buch in den Händen, da wir Knaben waren; und da wir zwanzig waren, und meinten, weit zu sein, von der Kinderzeit, nahmen wir es wieder in die Hand, und wieder hielt es uns – wie sehr hielt es uns wieder!“
Wunderbar – die 2002. Nacht // Regie: Jürgen Nass, Buch: Sascha Iljinskij, Jürgen Nass und Roland Welke, Musik: Thomas Natschinski, Musikalische Leitung: Detlef Klemm, Choreografie: Birgitta Nass, Gail Davies-Sigler und Marvin Smith, Bühnenbild: Fred Berndt, Kostüme: Ingrid Böttcher, Lichtdesign: Franz Peter David. Gesangssolisten: Isabel Dörfler/Katja Brauneis, Karim Khawatmi, Christian Venzke. Ballettsolistin: Susann Malinowski. Artistik: Hunan Troup, Duo Volkov, Trio Nasikhov und Voltige Kieva. Ballett und Orchester des Friedrichstadtpalastes. Vorstellungen: Di. bis Fr. 20 Uhr, Sa. 16 & 20 Uhr, So. 16 Uhr. Kartentelefon: (030) 23 26 23 26, www. friedrichstadtpalast. de.
HERBERT SCHULZE Wunderbar – die 2002. Nacht. Fred Berndt sagt: „Ein Bühnenbild sollte geschmackbildend wirken. „